Ende 2020 ist es der Geo-Energie Suisse AG (GES) gelungen, den technischen Nachweis für das vom Unternehmen patentierte Multi-Etappen-Stimulationskonzept zu erbringen. Die erfolgreiche Demonstration erfolgte im «Bedretto Underground Laboratory for Geosciences and Geoenergy» der ETH Zürich im Kanton Tessin. Vom Erfolg im Gotthard-Massiv erhofft sich Geo-Energie Suisse neuen Schub für das Pilotprojekt in Haute-Sorne (JU) und für die Produktion von Strom und Wärme aus Geothermie in der ganzen Schweiz.
Das Potenzial der Geothermie als erneuerbare, klimaneutrale Energiequelle ist unbestritten. Die natürliche Wärme in der Erdkruste produziert keinen CO2-Ausstoss und liefert konstant-thermische
Energie, die für die Stromproduktion oder direkt als Wärmequelle genutzt werden kann. Zudem verursacht ein Geothermiekraftwerk einen vernachlässigbaren Eingriff in die Landschaft, da es nur sehr
wenig Bodenfläche beansprucht. Zurzeit gibt es jedoch eine zentrale Schwierigkeit, die für eine flächendeckende, wirtschaftliche Nutzung der Erdwärme als erneuerbare Stromquelle überwunden werden
muss: Deren zuverlässige und ortsunabhängige Erschliessung ausserhalb von geothermischen Hotspots, wie sie beispielsweise Island, Indonesien oder Neuseeland aufweisen.
Die ETH Zürich hat mit Unterstützung der Werner Siemens-Stiftung eine neue Forschungsinfrastruktur aufgebaut, um solchen Fragen nachzugehen. Im «Bedretto Underground Laboratory for Geoenergies»
untersucht sie in enger Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern Techniken und Verfahren, um Erdwärme sicher, effizient und langfristig zu nutzen. GES demonstrierte als externer
Partner im Bedretto-Labor im Rahmen der Projekte DESTRESS, ZoDrEx und IASS, wie sich im Untergrund schonend ein Wärmetauscher erstellen lässt.
Schweizweit erster Nachweis des von GES patentierten Multi-Etappen-Stimulationskonzepts
2006 wollte man in Basel an einem vertikalen, offenen Bohrloch in einem einzigen Schritt ein geothermisches Reservoir bilden. Die hydraulischen Stimulationen lösten jedoch inakzeptable Erdbeben
aus. Als Antwort auf die technische Herausforderung einer sicheren Reservoirerschliessung hat die Geo-Energie Suisse AG darauf das Multi-Etappen-Stimulationskonzept (Video) entwickelt und im Jahr 2012 für die Schweiz patentieren lassen. Das Konzept sieht vor, in der für
die Stromproduktion notwendigen Tiefe von 4 bis 5 Kilometern mittels gezielten Wasserinjektionen ein durchlässiges Reservoir im kristallinen Grundgebirge zu bilden. Um das damit verbundene
Erdbebenrisiko zu minimieren, wird die hydraulische Stimulation abschnittweise und in kleinen, zeitlich gestaffelten Schritten durchgeführt. Dabei wird entlang eines horizontal abgeteuften
Bohrlochs eine Sequenz von Reservoirkammern generiert. Diese werden mit einem zweiten, horizontal abgelenkten Bohrloch erschlossen. So entsteht in der Summe ein grosser, unterirdischer
Wärmetauscher, mit dessen Hilfe im eigentlichen Geothermiekraftwerk Strom produziert und Wärme ausgekoppelt werden kann. Dass dieses Multi- Etappen-Stimulationskonzept funktioniert, konnte
Geo-Energie Suisse nun erstmals in der Schweiz, im Bedretto-Labor der ETH Zürich, nachweisen.
Meilenstein für die Nutzung der Tiefengeothermie in der Schweiz
«Es ist uns gelungen, im kompakten Granit des Gotthardmassivs mithilfe von gezielten Stimulationsmassnahmen eine Erhöhung der Wasserdurchlässigkeit um den Faktor 10 bis 100 zu erreichen und die
für die Rissbildung notwendigen Mikrobeben zu messen und zu kontrollieren», erklärt Dr. Peter Meier, CEO der Geo-Energie Suisse AG, und ergänzt: «Ich bin überzeugt, dass dieser Durchbruch ein
zentraler Meilenstein auf dem Weg zum ersten Tiefengeothermiekraftwerk in der Schweiz ist. Dies einerseits, weil die erzielte Durchlässigkeit in einem der zwei Bohrlöcher der notwendigen
Transmissivität für eine wirtschaftliche Anwendung entspricht. Andererseits, und das ist zentral, lag die mit den Stimulationen verbundene Mikroseismizität mit Magnituden von maximal -1.8 Mw auf
der Richterskala rund 1 Million tiefer als damals in Basel». Diesen Erfolg erzielte GES im Rahmen von Demonstrations- und Innovationsprojekten mit der Beteiligung von nationalen und
internationalen Partnern (siehe Textkasten). Als nächstes folgt nun die wissenschaftliche Auswertung durch die ETH Zürich, die EPFL und die Universität Neuenburg. Die Auswertungen bilden die
Grundlage für das zukünftige, detaillierte Stimulationsprogramm des Pilotprojekts der Geo-Energie Suisse am Standort in Haute-Sorne im Kanton Jura. Ein weiteres erfolgreich erreichtes
Zwischenziel von GES war die Qualifikation und Validierung neu entwickelter technischer Komponenten, die für die Sicherheit relevant oder für die Erstellung des tiefengeothermischen Reservoirs
wirtschaftlicher sind. Weitere Qualifikations- und Validierungsarbeiten sind für 2021, 2022 und 2023 geplant.
Internationale Zusammenarbeit als Schlüssel für Zuverlässigkeit und Weiterentwicklung von Innovationen
Als Industriepartnerin wird GES im laufenden Jahr die im Bedretto-Labor gewonnenen Erkenntnisse am US- amerikanischen Versuchsstandort FORGE Utah (Frontier Observatory for Research in Geothermal
Energy) zusätzlich noch im Hochtemperaturbereich validieren. Der Fokus liegt dabei auf der Nutzung seismischer Sensoren zur Kontrolle und Steuerung der induzierten Mikroseismizität – ein
zentrales Element für die sichere Stimulation des tiefen Untergrundes. Eine weitere Massnahme, um die Erfolgschancen und Sicherheit für das schweizweit erste tiefengeothermische Pilotprojekt im
jurassischen Haute-Sorne zu erhöhen und der Nutzung der Tiefen-geothermie in der Schweiz Vorschub zu leisten.
Erfolg bringt neuen Schub für das Pilotprojekt in Haute-Sorne
Ende Juni 2020 hat das Bundesamt für Energie den Erkundungsbeitrag für das Tiefengeothermieprojekt in Haute Sorne um einen Drittel erhöht (vgl. Medienmitteilung des BFE). Mit diesem Förderbeitrag unterstützt der Bund zusätzliche
Massnahmen für das Haute-Sorne Projekt, mit denen das Risiko von Schadenbeben auf Empfehlung des Schweizerischen Erdbebendiensts an der ETH Zürich (SED) weiter reduziert wird. Entsprechende
Instrumente und Methoden wurden ebenfalls im Rahmen des Demonstrationsprojekts im Bedretto-Labor erfolgreich getestet und deren Wirksamkeit nachgewiesen. Ein weiterer Erfolg, der für das
Pilotprojekt in Haute-Sorne entscheidend sein könnte. «Wir hoffen, dass der Durchbruch im Bedretto-Labor das Vertrauen der jurassischen Regierung und deren Aufsichtsbehörden in das
Sicherheitskonzept für das Pilotprojekt von Haute-Sorne stärkt und dass wir mit den Vorbereitungen für die Erkundungsbohrung noch 2021 starten können», so Peter Meier.
Geo-Energie Suisse hält nach wie vor am etappenweisen Vorgehen im Pilotprojekt in Haute-Sorne fest und ist überzeugt, dass die bisherigen Erfahrungen im Bedretto-Labor, die zukünftigen
Erkenntnisse in Utah sowie die zusätzliche Unterstützung durch das BFE das Projekt in Haute-Sorne noch sicherer machen. Mit dem erfolgreich durchgeführten Demonstrationsprojekt im Bedretto-Labor
erhält die Hoffnung, dass die Zukunft der Produktion von erneuerbarem, CO2 freiem und sauberen Strom aus der Tiefe ihren Anfang im Kanton Jura nimmt, neuen Schub. Gemäss Peter Meier «werden diese
Innovationen und Ergebnisse der Schweizer Energie- und Klimapolitik und der gesamten entstehenden Geothermie-Industrie dienen».
Die zentralen Ergebnisse im Überblick
PROJEKTPARTNERSCHAFTEN:
DESTRESS
Demonstration of soft stimulation treatments of geothermal reservoirs,
Förderung durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) unter Vertragsnummern 15.0316-1, 691728.
ZoDrEx Zonal Isolation, Drilling & Exploitation,
Förderung durch das Bundesamt für Energie (BFE).
IASS Innovative Acquisition Systems and Software for Deep Geothermal Evaluation and Monitoring
in Zusammenarbeit mit Utah FORGE, Förderung durch das Bundesamt für Energie (BFE).